
Wir trauern um
Gertrud May
20.12.1921 - 03.12.2011
Gertrud
May wurde vor 90 Jahren am 20. Dezember 1921 in Nürnberg geboren. Sie absolvierte
in Dresden eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Danach heiratete
sie mit 19 Jahren und in den folgenden Jahren stellten sich vier Kinder ein.
Die Familie zog 1963 nach Tutzing. Gertrud engagierte sich neben ihren
häuslichen Pflichten in der katholischen Pfarrei. Obwohl als evangelische
Christin getauft, besuchte sie fast täglich die Messe, arbeitete im
Pfarrsekretariat und in der Bücherei. Nach gründlichen Überlegungen wurde
Gertrud römisch katholisch.
Nachdem ihr Mann 1977 gestorben war, widmete sie sich verstärkt religiösen, vor
allem ökumenischen Themen. Das II. Vatikanische Konzil (1962 - 1966) hatte auch
Nicht-Priester zur Mitarbeit in lebendigen Gemeinden aufgerufen. Gertrud lernte
die Fokolare-Bewegung, eine damals neue geistliche Bewegung in der katholischen
Kirche kennen und zog bald in deren Zentrum nach Ottmaring bei Augsburg. Dort
arbeite sie mit ganzer Kraft mit.
1991 übersiedelte sie nach München. Damals war Gertrud mit ihren 70 Jahren noch
voller Tatendrang. Sie baute sich ein neues Netzwerk von gleichgesinnten, in
der Kirche engagierten Menschen auf, zunächst aus dem Kreis der „Kirche von
unten“ und „Wir sind Kirche“. Später kam sie in Kontakt mit der
Frauenpriester-Bewegung, wo sie mit ihrer Kirchenerfahrung, ihren breiten
kulturellen Wissen und ihrem vorwärts drängenden Optimismus sehr geachtet war.
Vor etwa vier Jahren zeigte sie die ersten Anzeichen von Altersschwäche. Sie
war nicht wirklich krank, aber der schrittweise Verlust ihrer Selbständigkeit
machte ihr zu schaffen. Am Samstagmorgen, dem 3. Dezember 2011 ist sie
friedlich für immer eingeschlafen.
Was uns von Gertrud wohl allen in Erinnerung bleibt – uns, dem
reformkatholischen Freundeskreis – ist ihre Beharrlichkeit, mit der sie sich
ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit erkämpfte. Auch mit einer starren und
nur-hierarchischen Kirche kämpfte sie: beharrlich, nicht nur kritisierend,
sondern indem sie Neues mit aufbaute. Und bis in ihr Alter bewahrte sie sich
ihre scharfsinnige Unterscheidungsfähigkeit.
Als "Alterspräsidentin" - wie wir sie liebevoll nannten - gestaltete
sie den Ältestenrat (Core Group) der "Initiative für Weiheämter für Frauen
in der römisch katholischen Kirche" entscheidend mit. Sie brachte ihre
Erfahrungen ein, war leidenschaftlich ökumenisch, vertrat und verteidigte uns
nach außen. In Krisensituationen handelte sie ruhig und kompetent, sie fand die
richtigen Worte in den entscheidenden Situationen. Gertrud fühlte sich selbst
nicht zur Priesterin berufen, obwohl sie die Ausbildung mit uns machte und bei
allen Feiern dabei war.
Wir behalten sie in unserer Erinnerung und in unseren Gedanken und lassen uns
von Augustinus sagen: „Wer zu Gott heimgeht, bleibt in der Familie“. Wir
erbitten ihre weitere Unterstützung vom Himmel aus. Danke Gertrud!
Am 7. Dezember 2011 haben wir unsere Gertrud auf ihrem letzten Weg begleitet.


